Vermischtes

Gestern Abend eine alte Dame zum Schultheaterabend ihres Enkels begleitet. Bin bestimmt seit einem halben Jahr nicht mehr U-Bahn gefahren und habe vergessen, wie das ist. Berliner Straße, wo wir umsteigen mussten, zwängt sich die Masse die Treppe rauf zur Linie nach Steglitz. Plötzlich höre ich hinter mir eine Frauenstimme, die sich laut mit „Was soll das?“ beschwert. Danach verstehe ich noch, „Sie brauchen mir ja nicht gleich in den Hinter zu kneifen“. Als wir oben den Bahnsteig erreicht haben, läuft eine mittelgroße langhaarige Frau, um die dreißig, den Bahnsteig nervös rauf und runter.

Nach dem Theater (Dürrenmatts „Der Besuch der alten Dame“) gehen wir gegen 21 Uhr durch das nächtliche Friedenau. Die Mutter des theaterspielenden Enkels hat uns zu einem Imbiss in ihre Wohnung ganz in der Nähe der Schule eingeladen. Wir sind eine kleine Gruppe, der Bürgersteig ist schmal, deshalb gehe ich vorweg und drehe mich ab- und zu zu den anderen um. Als ich mich kurz vor der Wohnung wieder einmal nach vorne wende, hält mich plötzlich jemand am Kragen meiner Jacke fest. Ich bleibe stehen und sehe in das Gesicht einer Frau. Sie ist einen Kopf kleiner als ich, hat schwarze schulterlange Haare und trägt eine randlose Brille. „Na, erinnerst Du Dich, gestern im Club“, sagt sie drohend und sieht mir fest in die Augen. Im ersten Augenblick verfalle ich in eine Art Tragstarre, wie bei einer Katze, die man in den Nacken greift und hochhebt. Angst habe ich keine, aber einen Moment lang ein schlechtes Gewissen, das vielleicht dazu führt, dass ich erst mal gar nichts mache. Dann frage ich mich, ob ich die Frau kenne, ob das vielleicht nur ein Scherz ist. Aber ich erkenne sie nicht und ich war auch am Abend zuvor in keinem „Club“, es muss sich um eine Verwechslung handeln. Ich versuche, mich loszumachen, aber sie hält mich weiter fest. Ich habe kein Zeitgefühl mehr, fühle mich, wie aus der Welt gefallen. Irgendwann sage ich dann: „Sie müssen sich irren, ich bin nicht der, für den sie mich halten“. „Ja, wer den sonst“, erwidert sie, „etwa der Weihnachtsmann oder der Schneemann?“

Meine Gefühle schwanken jetzt zwischen Amüsiertheit und Beunruhigung. Ich sage, „wenn sie mich jetzt nicht loslassen, muss ich die Polizei rufen“. N., die ich jetzt neben mir sehe, wiederholt das und holt ihr Handy heraus. Aber die Frau lässt nicht los. Ich weiß nicht, ob sie dann noch etwas gesagt hat, auf jeden Fall deutet sie irgendwann mit ihrem rechten Knie an, mir in die Eier treten zu wollen. Danach lässt sie los. Sie geht den Bürgersteig hinunter, dreht sich noch mal um, und zeigt mir den Stinkefinger.

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