Der Stromzähler

Donnerstag Morgen klingelte es an der Tür. Wir saßen in der Küche und waren gerade mit dem Frühstück fertig. E. rief sofort, „gucken, gucken!“ Ich nahm sie auf den Arm und öffnete. Es war der Mann, der unseren Stromzähler austauschen sollte. Ein Brief von der Netzgesellschaft hatte ihn vor zwei Wochen angekündigt. Ich hatte das ganz vergessen.

„Ich bin zwei Jahre alt“, sagte E. „Und ich bin vierzig Jahre alt“, sagte der Mann lachend. Er hatte einen kleinen Werkzeugkoffer aus Plastik dabei. An seiner Schulter hing eine dieser großen blauen Plastiktaschen, die es bei IKEA gibt. Als er sie auf den Boden stellte, sah ich, dass darin alte und neue Zähler lagen. Er nahm eine Zange, eine Stirnlampe und einen Akkuschrauber aus dem Koffer und sagte, „so, jetzt mal alle Geräte ausschalten, Computer, Waschmaschine.“ Ich setzte E., die den Mann die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte, auf den Boden, und ging durch die Wohnung, um alles abzuschalten. Als ich wieder zurückkam, hatte der Mann seine Stirnlampe angeschaltet. Dann drehte er die Hauptsicherung heraus. Plötzlich war es dunkel bis auf den von der Lampe beleuchteten Kreis.

„Na, das ist ja jetzt wie in einer Kohlengrube“, sagte ich. Er lachte. „Ja, die ist wie eine Grubenlampe. Normalerweise ist sie noch heller, ich muss mal die Batterie wechseln.“
„Ist das nicht langweilig, den ganzen Tag Zähler austzuauschen?“, fragte ich.
„Um ehrlich zu sein“, sagte er, „mache ich das nur, weil ich als Elektriker weniger verdiene.“ Mit wenigen Handgriffen hatte er den alten schwarzen Zähler von der Wand gelöst und abgenommen. Er legte ihn in die blaue Plastiktasche und entnahm ihr einen der neuen Zähler aus grauem Plastik.
„Aber Handwerker werden doch gut bezahlt“, erwiderte ich.
„Ja, aber keine Elektriker. Das liegt daran, dass Elektriker nicht Bauhauptgewerbe sind, sondern Baunebengewerbe.“
„Und sich selbstständig machen?“
„Ach, das ist nichts für mich. Also, ich geb zu, ich sitz nach Feierabend gern auf dem Sofa und leg die Füße auf den Tisch.“ Ich sagte, dass auch ich kein Talent zum Unternehmer hätte. Dazu müsse man schon geboren sein. Inzwischen hatte er den neuen Zähler in die Anschlusskabel an der Wand gesteckt.

„So, jetzt wird es mal laut“, sagte der Mann und sah E. an. Dann knarrte der Akkuschrauber wie beim Reifenwechsel in der Autowerkstatt. Drei mal, dann war der neue Zähler befestigt. Insgesamt waren es wohl nicht mehr zwei Dutzend Handgriffe, um den alten schwarzen Zähler gegen den grauen digitalen auszutauschen. Am Ende zog er einen Draht durch zwei Ösen und verplombte ihn mit einer Zange.
„Das machen Sie, damit wir keinen Strom klauen.“
„Ja“, lachte er, „aber das kommt selten vor. In den drei Jahren, die ich Zähler tausche, ist mir das erst zwei mal untergekommen. Aber ich werd ja auch angekündigt.“ Dann trat eine kleine Pause ein, während der ich darüber nachdachte, was ich noch fragen könnte.

„Haben sie es weit, wohnen Sie hier in der Gegend?“ fragte ich schließlich.
„Nein, ich wohn in Spandau. Das heißt, in Siemensstadt, aber das ist ja Spandau. Vorher hab ich in Steglitz gewohnt. In einer sehr schönen Wohnung.“
„Sie sind bestimmt wegen der Miete umgezogen“.
„Genau, aber ich hab Familie in Spandau. Da war ich sowieso vorher schon immer da. So war die Gegend nicht neu für mich. Da dachte ich, vielleicht ist die Miete dort günstiger. Ja, und wirklich, ich hatte Glück und hab eine günstigere Wohnung gefunden.“ Wir schimpften dann noch gemeinsam über die steigenden Mieten und das nicht wirklich etwas dagegen unternommen wird. Dann gingen wir runter zur Nachbarin, die heute unterwegs war und uns den Schlüssel gegeben hatte.

S., ein anderer Nachbar, schrieb am Nachmittag per Telegram: „Hässliches neues Gerät, das alte war so schön mechanisch.“ Und ich dachte: Er hat recht, der neue digitale Zähler sieht wirklich hässlich aus. Und man kann ihn nur schwer ablesen. Ohne es zu bemerken, hatte auch ich mich an die alten schwarzen Kästen mit der rotierenden, an einer Stelle rot markierten Scheibe gewöhnt.

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