Aufrecht fahren

Es gibt nicht viele Augenblicke im Leben, in denen man das Gefühl hat, wiedergeboren zu werden. Letzten Woche Mittwoch, gegen halb drei, war so ein Augenblick. Ich hatte mein Fahrrad morgens zur Reparatur gebracht. Die Gangschaltung ging nicht mehr. Aber ich hatte auch einen weiteren Anlauf unternommen, den Lenker zu erhöhen. Der letzte war daran gescheitert, dass der Mann von meinem alten Fahrradladen sagte, es gäbe keine höheren Lenker in Schwarz. Ein verchromter Lenker hätte aber total blöd ausgesehen, da mein Fahrrad durchgängig schwarz lackiert ist. Also beugte ich beim Fahrrad fahren aus ästhetischen Gründen meinen Nacken weiter demütig nach unten, während ich den Kopf, wie bei einem Hund, nach oben knickte, um etwas von der Welt zu sehen. Nur das der Knochenaufbau eines Hundes für seinen hündischen Blick geschaffen ist und er darunter nicht leidet wie ich und mein Nacken.

„Kein Problem, es gibt ein schwarzes Verlängerungsstück“, hatte mir der Mann vom neuen Fahrradladen kurz morgens bei der Abgabe gesagt und mein Rad nach hinten geschoben. Und als ich das Fahrrad abholte, draufstieg und wegfuhr, war der Augenblick dann da. Was für ein Gefühl, aufrecht durch die Stadt zu fahren! Was für ein Blick in die Welt! Alle Probleme schienen von oben her betrachtet klein, aller Pessimismus verwandelte sich innerhalb von Sekunden in Optimismus! Und die Autofahrer schienen jetzt die Demütigen zu sein, die unter mir das Weite suchten. Während ich souverän durch die Gegend fuhr und das Ganze überblickte.

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