Monat: Februar 2015

Kinder

Eine Freundin arbeitet zurzeit als Lehrerin für Flüchtlingskinder. In dreimonatigen Kursen soll sie ihnen grundlegende Deutschkenntnisse beibringen, damit sie danach am normalen Unterricht teilnehmen können. Die Unterrichtsräume befinden sich in einer Schule für psychisch kranke Kinder. Sie erzählt, dass die Flüchtlingskinder und die kranken Kinder völlig unterschiedlich sind. Die kranken Kinder sind ruhig. Manche sind depressiv, manche autoaggressiv, manche haben schon einen Selbstmordversuch hinter sich. Während die Flüchtlingskinder, von denen viele aus dem Krieg in Syrien kommen, eine unglaubliche Energie hätten. „Ja, die sind traumatisiert, aber diese Energie!“ „Und“, fügt sie hinzu, „zum Glück sind die Familienstrukturen noch intakt – wenn es auch patriachale Strukturen sind.“

Der Flaschensammler

Heute morgen hat wieder der Flaschensammler geklingelt. „Ich bin der Mann, der wegen der Pfandflaschen kommt“, sagt er und ich mache ihm auf. Selbst durch die schlechte Qualität der Gegensprechanlage ist sein niedergeschlagener Ton zu hören. Er kommt alle paar Wochen vorbei und durchsucht unsere Glasmülltonnen nach Pfandflaschen. Einmal habe ich ihm von oben dabei zugesehen. Beim Öffnen der Mülltonnen schimpfte er leise vor sich hin. Aber er fand Pfandflaschen und er würde auch diesmal wieder welche finden.

Für manche, die im Haus wohnen, lohnt es sich einfach nicht mehr, die Flaschen zurückzubringen. Genauso, wie es sich hier für viele nicht mehr lohnt, nach einem Parkplatz fürs Auto zu suchen. Sie parken einfach irgendwo, wo noch Platz ist. In der Gegend um den Ku’damm kostet mancher Wagen mehr als 100.000 Euro. Wer sich solch ein Auto leisten kann, für den sind die fünfzehn oder zwanzig Euro fürs Falschparken so lächerlich gering wie die fünfzehn Cent Pfand pro Pfandflasche. Der größte Ärger besteht dann darin, den Überweisungsbeleg für den Strafzettel auszufüllen. Aber das macht dann wahrscheinlich die Sekretärin. So wie der Flaschensammler die Pfandflaschen zurückbringt.

 

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