Jedes Mal, wenn meine Großeltern zu Besuch kamen, wurde abends Doppelkopf gespielt. Das Kartenspiel, bei dem jeweils zwei gegen zwei antreten, hatte Tradition in unserer Familie. Gespielt wurde protestantisch korrekt nicht um Geld. Was allerdings nicht ganz stimmt, denn meine Eltern hatten in einer Metalldose alte Pfennige gesammelt, die an die jeweiligen Gewinner verteilt wurden. Einige waren seltsam grau angelaufen. Sie stammten aus einer anderen Zeit.
Da wir zusammen mit meiner Schwester sechs Personen waren, aber nur vier Spieler benötigt wurden, konnten jeweils zwei nicht mitspielen. Manchmal fehlte aber auch ein Spieler. Meine Schwester, die sehr viel lieber spielte als ich, versuchte mich dann, zum Mitmachen zu überreden. Meistens gelang ihr das auch.
Wir saßen in der warmen Stube um den niedrigen Couchtisch herum. Draußen war es kalt, denn es war meist die Zeit um Weihnachten herum, wenn meine Großeltern zu Besuch kamen. Ich mochte sie sehr und ich mochte Weihnachten, natürlich vor allem wegen der Geschenke. Wir sortierten unsere Karten, dann wurde ausgelost, wer anfangen durfte. Meistens dauerte es nicht lange, bis meine Abneigung gegen das Kartenspielen dem Ehrgeiz zu gewinnen gewichen war. Hatte ich ein gutes Blatt, befand ich mich schnell im Siegesrausch. Wenn ich einen Stich machen konnte, zog ich mein Ass oder meinen Trumpf und sagte: „Wetten, dass wir gewinnen!“
Ich weiß nicht mehr, ob es meine Großmutter war oder mein Großvater, aber oft kam dann der Satz, den auch meine Mutter später manchmal sagte, dessen wirkliche Bedeutung ich damals nicht verstand. Aber ich habe ihn nicht vergessen: „Wetten tun nur Juden, die kein Geld haben.“