In Lemberg stieg ich an der Elisabeth Kirche in die Straßenbahnlinie 1. Meist war die Tür zur Fahrerkabine geschlossen und man musste den Fahrpreis von fünf Griwna durch eine kleine Öffnung stecken. Darin tauchten dann kurze Zeit später der hauchdünnen Papierstreifen auf, den man an einem der metallenen Locher zwischen den Fenstern entwerten musste. Ich kannte das System noch aus DDR-Zeiten.

Diesmal aber stand die Tür offen. Die Fahrerin in der Kabine schien Ende fünfzig, Anfang sechzig zu sein. Sie hatte eine stämmige Statur und rotbraun gefärbte, lockige Haare und sah aus, als wäre sie einem alten Bildband über die Sowjetunion entstiegen. Ein Detail jedoch war anders: Über der Frontscheibe hingen mehrere kleinen Ikonen. Ich hielt ihr meinen Zwanzig Griwna-Schein hin, denn ich hatte keinen kleineren, und sagte „four“. Weil ich nicht wusste, ob sie Englisch versteht, hielt ich außerdem meine linke Hand mit vier abgespreizten Fingern hoch.

„Chatyry“, sagte sie lächelnd und nahm den Schein.
Ich dachte, sie hätte mich nicht verstanden und wiederholte „four“, während ich gleichzeitig mit der anderen Hand auf meine vier erhobenen Finger zeigte.

„Chatyry“, sagte sie nochmals, riss von ihrem Fahrscheinblock vier Fahrscheine ab und reichte sie mir.

Zu Hause sah ich dann nach.

„Chatyry“ heißt auf Ukrainsch „vier“.