Auf einer Geburtstagsfete komme ich mit F. ins Gespräch, der seine langen grauen Haare hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden hat. Wir stehen in der Küchentür, und ich frage ihn, wie er die Gastgeberin kennengelernt hat, was er macht, eben Fragen, mit denen man ins Gespräch kommt. Er erzählt, dass er die Computer in der Geschäftsstelle einer sozialen Einrichtung betreut. Später sagt er, dass er sich dort „aufgehoben“ fühlt.
Ich weiß nicht mehr, warum, aber er erzählte, dass er sich sofort nach dem Fall der Mauer eine Wohnung in Westberlin gesucht hat. „Ich hatte Angst, die machen die Mauer ganz schnell wieder dicht“.
Ohne groß darüber nachzudenken frage ich: „Und, trauerst du der DDR nach?“ Er sieht mich lange an und schweigt, bevor er sagt: „Was erwartest du denn, was ich sage?“ Ich bin irritiert, weiß nicht, wie er das meint, und antworte ebenfalls nicht. Als D. dazukommt, ein Freund, der ebenfalls in der DDR groß geworden ist, wende ich mich Hilfe suchend an ihn. „Und, trauerst du der DDR nach?“ D. lacht und sagt auch nichts. F. sieht mich immer noch mit starrem Blick an und fragt nochmals: „Na, was erwartest du, was ich sage?“. D. springt mir zur Seite: „Ich glaube, Fokke will nur wissen, was du darüber denkst.“
F. beantwortete meine Frage nicht. Und auch ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich hatte ein schlechtes Gefühl, das Gefühl, erwischt worden zu sein. Glaubte er, dass ich ihn als DDR-Nostalgiker enttarnen wollte? Oder meinte er, dass ich erwartet hätte, dass er sagt, nein, er trauere der DDR mit keiner Träne nach.
Eigentlich hatte ich keine Lust mehr, mich mit ihm zu unterhalten. Aber ich wechselte das Thema und wir unterhielten uns über Computer. Ich schimpfte über Windows, er stimmte mir zu: Zu Hause würde er auch Apple benutzen. Letztens aber hätte er auch mit seinem Apple das Problem gehabt, einen Film auf seinem Fernseher abzuspielen. Das Format passte nicht. Er holte sein Handy aus der Tasche und wischte suchend über den Bildschirm. Dann hielt er es mir hin. Ein kurzer, wenige Sekunden langer Film war zu sehen. Ein Junge, der auf einen Felsen gestiegen war und das Gleichgewicht zu halten versuchte. Der Bilder ruckelten wie in einem alten Stummfilm. „Das bin ich“, sagte er. Das seien Aufnahmen aus der Tschechoslowakei, die sein Vater gemacht hätte. „Der hatte damals schon so eine Kamera.“ Die alten Filme wären ziemlich marode gewesen. Die Perforierung sei ständig gerissen. Der Projektor verklebt. Damit man überhaupt was sehen konnte, hätte er den Film verlangsamt.